Endlich wieder eine Zuggeschichte! Zuggeschichten handeln von meinen Besuchen bei Standorten des Digital-Kompass. Am 3. April, am Tag der älteren Generationen, gings nach Oestrich-Winkel im Rheingau zur Eröffnung des Mehrgenerationenhauses als Digital-Kompass Standort.

 

Die üblichen Zug-Sorgen

An sich gut ausgestattet mit neuem Notebook, Smartphones und E-Book-Reader ging es los, nur leider waren – mal wieder – die Kopfhörer auf dem Wohnzimmertisch liegen geblieben. Bei insgesamt zwölf Stunden Zugfahrt ein großer Fehler. Außerdem gabs wie so oft nur Tagesverpflegung von Le Crobag, denn das Zusammenstellen von hübsch-appetitlichen Bentoboxen oder Salatgläsern will mir einfach nicht gelingen. An der Theke wurde schnell klar, dass noch ein weiteres wichtiges Zuguntensil auf dem Tisch zu Hause lag, statt im Rucksack zu stecken: der Mehrweg-Coffee-to-go-Becher. Der Tag begann also ohne Musik, mit langweiligem Essen, schlechtem Gewissen und dann dauerte es auch noch ewig, bis DB-WLAN, VPN, Internetverbindung und Outlook miteinander harmonierten. Ein ziemlich normaler Zugtag also.

 

Oestrich-Winkel

Irgendwann funktionierte der Zugriff aufs Internet und während ich auf der Website des Ortes recherchierte: „Oestrich-Winkel: weltbekannte Weingüter im romantischen Rheintal, an der breitesten Stelle des Rheins, Kultur und Tradition im Herzen des berühmten Weinanbaugebiets Rheingau“, bedauerte ich, dass es ein Mittwoch und kein Freitag war, so dass ich einen weiteren Tag hätte bleiben können, um Oestrich-Winkel und die Umgebung näher zu erkunden. Eine knappe Stunde zwischen Zugankunft und Beginn der Veranstaltung musste für einen Blick auf das Wahrzeichen der Stadt, den ehemaligen Weinverladekran „Oestricher Kran“, reichen. Die Germanistin in mir mahnte halbherzig einen Abstecher zum Brentanohaus an, jedoch fand auch sie bereits während des Literaturstudiums romantische Literatur zum KGähnen. Weitaus spannender als „Des Knaben Wunderhorn“ scheint mir eh die Lebens- oder vielmehr Leidensgeschichte der Karoline von Günderrode zu sein: Selbst erdolcht am Rheinufer in Winkel. Außerdem lag ihr Grab direkt auf meinem Weg zum Mehrgenerationenhaus, weitaus näher also als das Brentanohaus.

Angebote für alle Generationen?

Bei meinem kurzen Spaziergang durch den Ort fiel deutlich auf: Die ältere Generation überwiegt hier eindeutig. Auf den Straßen begegnete ich auf dem ca. 15-minütigen Fußweg allein zwei älteren Männern, einer mit Rollator, einer mit Hund unterwegs. Die Aushänge vor den Kirchen richteten sich ausschließlich an Senior*innen. Die Straßen wirkten mit den um 15 Uhr bereits geschlossenen Bäckereien und leerstehenden Ladengeschäften verlassen. Nur die vielen Weinlokale (mein Namensfavorit: Weingut Schönleber-Blümlein) zeugten davon, dass es hier auch belebter zugehen kann. Beim Mehrgenerationenhaus angelangt, änderte sich meine Wahrnehmung dann schlagartig. Hier hingen Plakate und Informationen über Flohmärkte, Repair-Café, Seniorensingkreis, Yoga, Mädchentreff, Deutschkurs, Spieletreff, Sturzprophylaxetraining, Musikzwerge und noch vieles mehr: Das Mehrgenerationenhaus in Oestrich-Winkel fährt ein umfassendes Angebot für ganz unterschiedliche, anders gesagt, für alle Menschen, auf, von dem ich in meinem Berliner Vorstadtbezirk nur träumen kann!

WWW – Wer hat’s erfunden?

Für den Digital-Kompass sind die vielfältigen Angebote in der Medienbildung besonders relevant: So gibt es einen eigenen Medienraum, eine Mediensprechstunde für PC, Tablet, Smartphone und Co., Studierende halten Smartphone-Workshops und es wurden in Kooperation mit dem Digital-Kompass schon über 15 Digitale Stammtische durchgeführt. Der erste fand im April 2017 zum Thema „Online Bezahlen“ statt. Zwei Jahre später wurde nun das Angebot des Mehrgenerationenhauses erweitert und dort der erste hessische Standort des Digital-Kompass eröffnet. Außerdem, so erzählte einer der Gastgeber, hätten die Rheingauer das WWW erfunden. Zugegeben: WWW steht in diesem Fall für Worscht, Weck und Woi, aber dass das Internet und digitale Dienste bei den Rheingauern vom Mehrgenerationenhaus Oestrich-Winkel einen hohen Stellenwert haben, bewiesen die Kolleg*innen bei der Eröffnung des Digital-Kompass Standort einmal neu.

Eröffnet!

Zur Eröffnung kamen außer dem Bürgermeister der Stadt, Michael Heil, auch gleich zwei Bürgermeisterkandidaten. Am 26.5. wird in Oestrich-Winkel nämlich nicht nur das europäische Parlament gewählt, sondern auch der neue Bürgermeister. Sein Schwiegervater, so erzählte Michael Heil, sei immer „morgens der erste, der eine WhatsApp-Nachricht schreibt“, außerdem sei er in Baden-Württemberg in einer „Rentnertruppe“ organisiert, die sich regelmäßig treffe, um Computerfragen zu besprechen. So verwundert es nicht, dass der Bürgermeister sich zunächst gefragt hatte, ob Ältere nicht schon längst in der digitalen Welt angekommen seien. Viele würden sich aber das Leben eben doch noch nicht durch digitale Dienste vereinfachen oder Wege ersparen. Daher begrüße er es sehr, dass das Mehrgenerationenhaus helfe, das Wissen darüber zu transferieren. Und die engagierte und lebensfrohe Standortkoordinatorin Christiane Kompch-Maneshkarimi freute sich über die „fachspezifische und perfekte Unterstützung durch den Digital-Kompass“ und hofft auf beständige und nachhaltige Angebote.

Fake News oder Fakt

Bevor es gemeinsam in den Medienraum ging, um an einem Digitalen Stammtisch zum Thema „Fake News oder Fakt“ mit Schwerpunkt Wahlkampf teilzunehmen, wurde ein rotes Band zerschnitten und offiziell zum ersten Mal die neue Digital-Kompass-Fußmatte überschritten. Per Video zugeschaltet erklärte ein Experte, wie man Fake News erkennt und wie man am besten mit ihnen umgeht. Die Inhalte waren gut aufbereitet und auch für mich spannend, außerdem durfte ich nach einem mittelmäßig erfolgreichen Einstieg als Stammtisch-Moderatorin zum ersten Mal einen Digitalen Stammtisch als Teilnehmerin erleben und ich muss sagen: Das ist ein prima Format und eine gute Mischung zwischen Online- und Offline-Kommunikation!

 

Kommunikationswege

Überhaupt: Schon den ganzen Tag über waren die Kommunikationswege mit dem Team Digital-Kompass besonders vielfältig gewesen: So gab es Mails statt Gespräche mit dem Kollegen, der sonst direkt neben mir sitzt, Messenger-Nachrichten und Facebook-Kommentare an die Kollegin, die zeitgleich den neuen Digital-Kompass Standort in Hamburg besuchte, dafür wiederum persönliche Begegnungen mit zwei Kolleg*innen, die ich sonst nur selten sehe. Zum Abschluss des Tages wurde die Kommunikation wieder ganz klassisch: Die Gäste konnten in den Broschüren und Anleitungen des Digital-Kompass stöbern, in der sich anschließenden Mediensprechstunde persönlich Fragen klären und bei Spundekäs, Laugenstangen, Obst und Riesling Pläne für die nächsten Digitalen Stammtische schmieden. Und ich träumte davon, mich für die Jury der Castingshow RSDS (Rheingau sucht den Superspundekäs) aufstellen zu lassen.

Im Rheingau wurde das WWW erfunden: Stippvisite in Oestrich-Winkel

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