Gründau, die Gemeinde im Grünen mit kostenlosem WLAN
Gründau – Lieblos, das ist einer jener Ortsnamen, die ich noch aus der Radiowerbung kenne, die während meiner Schulzeit in Hessen auf HR 3 und FFH in Dauerschleife lief. Wer möchte schon in einem Ort wohnen, der zwar ein großes Möbelhaus hat, aber Lieblos heißt, dachte ich damals. Der Name klingt zwar besser als Eiterfeld, aber wenn schon skurrile Ortsnamen, dann doch besser so etwas wie das benachbarte Linsengericht. 2019, viele Jahre später, durfte ich mir dank eines neuen Digital-Kompass Standortes selbst ein Bild von Gründau machen. Allerdings nicht vom Ortsteil Lieblos, sondern von Gründau – Rothenbergen. Gründau, die „Gemeinde im Grünen“, besteht aus sieben ehemals selbständigen Dörfern. Bald wird es dort kostenfreies WLAN in öffentlichen Räumen geben. Gründau erhält dafür aus dem europäischen Förderprogramm WiFI4EU 15.000 Euro. „Ein freies WLAN-Netz ist heute, wo nahezu alle Menschen ein Smartphone haben, Baustein einer guten Lebensqualität in den Orten. Auch für Gäste der Gemeinde ist das ein kleines zusätzliches Plus. Daher freue ich mich, dass unsere Gemeinde hier, als eine von rund 500 Kommunen deutschlandweit, zum Zuge gekommen ist“, wird Bürgermeister Helfrich auf der offiziellen Website der Kommune zitiert.
Café-Begegnungen
Für meine Dienstreisen suche ich mir Verbindungen heraus, mit denen ich planmäßig ein bis zwei Stunden vor meinen Terminen vor Ort bin. Dann bleibt etwas Zeit, um die Kleidung glatt zu streichen, die Atmosphäre vor Ort aufzunehmen und mich nach ein paar Stunden mobilem Arbeiten im Zug kurz zu erden. Die Deutsche Bahn sorgt meistens trotzdem dafür, dass ich punktgenau ankomme. Diesmal waren jedoch alle Züge und Busse pünktlich, so dass ich in Gründau noch in ein kleines sympathisches Café einkehren konnte – während der Bahnfahrt schnell übers Smartphone recherchiert. Während ich bei Kaffee und Granatapfellimonade noch einmal durch meine Unterlagen blätterte, rollte eine ältere Dame mit ihrem Rollator vorbei, fragte die Café-Besitzerin über den Zaun hinweg, ob ihre Freundin schon da sei, und versprach, später mit ihr wieder zurückzukommen. Ein Handwerker verbrachte seine Mittagspause im Café, bestellte Pfannkuchen (für Berliner*innen: Eierkuchen, nicht eure Berliner Pfannkuchen) und babbelte mit der Inhaberin im schönsten Südhessisch übers Verreisen. Später, beim Bezahlen, ergab sich auch mit mir ein nettes Gespräch. Die Café-Betreiberin findet das Angebot des Digital-Kompass für Ältere ganz wunderbar und schlug vor, solche Angebote auch in Cafés wie dem ihren anzubieten. Schließlich träfen sich dort regelmäßig die Älteren zum Kaffeeklatsch oder Stammtisch, die sich nicht an einen Verein oder an einen Computerkurs binden möchten.
Alle Generationen unter einem Dach
Durchaus eine Idee, die man weiterspinnen könnte. Allerdings herrscht im MGH Kleiner Anton, dem neuen Digital-Kompass Standort, keine Vereinsmeierei. Die Angebote sind für alle offen. MGH, das steht für Mehrgenerationenhaus, und das erfüllt der Kleine Anton im besten Sinne: Im MGH angekommen stolperte ich zunächst in eine Kitagruppe hinein, fand dann aber schnell den richtigen Weg zum freundlich eingerichteten Bistro, der Antoneria. Während mich meine zwei Kolleginnen vor Ort herzlich begrüßten, baute ein Freiwilliger die Technik für einen Digitalen Stammtisch auf. Jung und Alt saßen bereits über Smartphones und Notebooks gebeugt zusammen, um Fragen rund ums Internet zu klären. Einige Schüler gingen von Tisch zu Tisch, um der älteren Generation bei Computerproblemen zu helfen. Apropos Generationen. Ich bin es gewohnt, jünger geschätzt zu werden. Früher mehr als heute, aber ein paar Jahre schenken mir Fremde in der Regel immer noch. In Gründau, nur wenige Tage nach meinem letzten Geburtstag, hatte dies ein Ende! Der 53-jährige Bürgermeister der Stadt packte uns nämlich in dieselbe Altersgruppe! Nach einem längeren kurzen Moment der Erschütterung rede ich mir nun ein, dass er mit „mittlerem Alter“ die weite Spanne der 30- bis 60-Jährigen meint – und dann liegt er ja durchaus richtig.
Digitale Erinnerungsstützen
Bürgermeister Gerald Helfrich lobte die vielen Aktivitäten des MGH, die seine Gemeinde tagtäglich bereichern, und begrüßte sowohl die bereits erprobten als auch die neuen Lernangebote für ältere Menschen. Er berichtete, dass sich auch die Kommunen mehr und mehr in Sachen Digitalisierung auf den Weg machen und die Verwaltung vor großen Veränderungen stehe. Zum Glück sei der Breitbandausbau in Gründau aber schon weit vorangeschritten, wenn nicht sogar schon abgeschlossen. Eine schöne persönliche Anekdote hatte er auch parat: Als Bürgermeister gehört es zu seinen Aufgaben, besonders engagierten Menschen seiner Gemeinde zu gratulieren. So geschah dies auch vor fünf Jahren beim 75. Geburtstag eines Gründauers. Sie sprachen über dies und das, Fotos wurden herausgesucht, aber ein bestimmtes war einfach nicht aufzufinden. Fünf Jahre später stand der 80. Geburtstag desselben Mannes an, wieder stattete Gerald Helfrich ihm einen Besuch ab. Sie erinnerten sich an den Besuch vor fünf Jahren, an die Suche nach dem Foto und siehe da, nun fand der Mann das Bild sofort. Mittlerweile hatte er alle Fotos eingescannt und in eine Datenbank eingegeben und so konnten sie sich endlich gemeinsam das einst verschollene Bild anschauen und der 85-Jährige in Erinnerungen an seine Goldenen Hochzeit schwelgen.
Ausklang
Nach der offiziellen Eröffnung und einem Digitalem Stammtisch blieben alle Gäste noch eine ganze Weile in Gespräche vertieft sitzen. Einige Teilnehmer*innen freuten sich darüber, dass ich in Hessen aufgewachsen bin und mein Bruder sogar im Main-Kinzig-Kreis, zu dem auch Gründau gehört, lebt. Sie erzählten von den Windkrafträdern in der Umgebung, den Wäldern, die einen Österreicher gehören, und dem bald anstehenden Hessentag. Sie gaben Tipps für neue Standorte in Bremen und fragten nach dem Leben in Berlin bzw. am Berliner Stadtrand. Eine durch und durch nette und sympathische Runde!
Nach der Veranstaltung durfte ich zum Abschluss das erleben, was für viele Besuche im ländlichen Raum gilt: Ohne Auto ist man aufgeschmissen. Der Bus von Rothenbergen zum Bahnhof Gelnhausen zum Beispiel fährt nur alle zwei Stunden. Fällt der Bus einmal aus, dann ist die gesamte Reiseplanung dahin. Die Kolleginnen hatten mir zuvor wie selbstverständlich angeboten, mich zum Bahnhof zu fahren. Ich wollte allerdings auf den ÖPNV bauen und hatte noch einen Besuch bei meinem Bruder vor. Dass ich ihn bitten musste, mich von der Bushaltestelle abzuholen, damit hatte ich allerdings nicht gerechnet.
Ob mit Auto oder Bus: Ich komme gerne wieder!