Sind Newsletter noch up to date oder werden sie nur weggewischt? Eine in der Online-PR-Welt immer wieder gern diskutierte Frage. Ein Newsletter, auf den ich mich schon am Donnerstag freue, obwohl er erst am Samstag erscheint, ist jedenfalls das Gartentelegramm vom bauerngarten. Dort schaue ich sogar Wochen später noch einmal hinein, um mich an die Fruchtfolge der einzelnen Beete, an die nächsten Workshoptermine oder an die Bilder, die zeigen, wie verschiedene Keimlinge aussehen, zu erinnern. Ich lese sogar regelmäßig im Forum mit und freue mich, wenn jemand vom Standort Mette schreibt.
Eine leichte Entscheidung!
Ach überhaupt, der bauerngarten. Meine beste Entscheidung im letzten Herbst war es, eine Parzelle vom bauerngarten Mette zu pachten. Geliebäugelt hatte ich damit schon länger, den Ausschlag gab dann ein Flyer am Schwarzen Brett hier im Ortolanweg. Der Aushang hieß ja zugleich, dass andere Mieter*innen mindestens einmal in der Woche die sechs km nach Großziethen, also schon nach Brandenburg, fahren, um dort regelmäßig rund vier Stunden zu hacken, zu jäten, zu mulchen und zwischendurch zu säen, zu pflanzen und zu ernten. Als sich herausstellte, dass eine Nachbarin aus der Garten-AG dort ebenfalls gärtnert, war die Entscheidung schnell gefallen. Denn so kann ich ab und an im Auto zum Acker mitfahren, um Tomatenstangen zu transportieren oder die Ernte schnell nach Hause zu bringen.
bauerngarten?
Der bauerngarten wird von einem jungen, überaus sympathischen Team betrieben. Die Fünf haben unter anderem Ökologische Landwirtschaft, Geoökologie, Geografie und Politik studiert. Die Mitinhaberin ist außerdem Gartentherapeutin (!). Laut ihrer Website möchten sie „neuartige Formen einer gemeinschaftsgetragenen Lebensmittelerzeugung umsetzen, bei denen Bürger*innen und Bauern wieder gemeinsame Sache machen, statt sich aus der Ferne zu beäugen“ und Menschen die Möglichkeit bieten, „bei der Erzeugung der täglichen Lebensmittel wieder selbst Hand anzulegen und somit wieder ein Stück weit Souverän des eigenen Kühlschranks zu werden“. Das tun sie mittlerweile seit neun Jahren an vier Standorten am Berliner Stadtrand mit großen Gartenkreisen, die sie jährlich tortenstückweise als Parzellen verpachten. Damit erfreuen sie jährlich rund 1.500 Menschen mit Ökogemüse – „handgezogen, direkt vor den Toren Berlins“.
Wo Stadt auf Land trifft
Selten habe ich bisher das Aufeinandertreffen von Stadt auf Land so direkt erlebt wie im bauerngarten Mette. Schon auf dem Weg dorthin befindet man sich in einem Moment noch zwischen den Häuserschluchten der Gropiusstadt, im anderen auf einem Feldweg, auf dem mir neulich plötzlich ein Reh gegenüberstand. Die letzten 15 Minuten der ca. 25-minütigen Radfahrt verlaufen über Feldwege und Trampelpfade an einer ehemaligen, mitterweile überwucherten, aber immer noch abgesperrten Mülldeponie vorbei und hinterlassen dennoch den Eindruck einer kurzen Radtour durchs Brandenburger Land. Hinter den Feldern sind die Hochhäuser immer in Sichtweite, aber eben auch Acker, Traktoren und Feldraine, in denen jede Woche andere Pflanzen blühen. Bisher habe ich Mohn, Kornblumen und Ackerdisteln gesichtet, alle andere muss ich noch nachschlagen oder mit der Pflanzenerkennungsapp einscannen. Bei den Gartenkreisen angekommen, lebt und wirtschaftet direkt nebenan der Kooperationspartner Bauer Mette, für Landluft ist also gesorgt. Gleichzeitig kann man direkt über den Baumwipfeln Flugzeuge beobachten, die vom Flughafen Schönefeld starten.
Lebenslanges Lernen: Ackerbegleitkraut erkennen, Insekten bestimmen
Als Gartenfachberaterin ohne Abschluss würde ich mich als fortgeschrittene Anfängerin im Gartenwesen bezeichnen. Im Vergleich zu einigen „Wie ernte ich einen Salat?“-Großstädter*innen vielleicht sogar als Fortgeschrittene. Dank der regelmäßigen Workshops lerne ich immer wieder Neues dazu. Belehrungen gibt es dabei erfreulich wenig. Das Bauerngarten-Team schafft es, sein Wissen so weiterzugeben, dass es auch nach neun Jahren nicht abgespult klingt. Dabei gehen sie geduldig auf die sicher schon 100-fach gehörten Fragen und guten Ratschläge ein, sowohl in den Workshops und bei den Ackersprechstunden als auch im Online-Forum. Meine wichtigste Erkenntnis neben dem Hacken-Jäten-Mulchen-Mantra der Biogärtner*innen: Auf dem Acker wächst anderes „unerwünschtes Ackerbegleitkraut“ als im Garten und vor allem viel, viel mehr davon. Quecke, Vogelmiere, Gartenmelde und Ackerwinde erkenne ich mittlerweile mit einem Blick, ein anderes Kraut kommt verdächtig häufig vor, also raus damit. Um was genau es sich dabei handelt, das muss ich noch erfragen. Neulich habe ich außerdem ein Insekt entdeckt, von dem ich bisher nie gehört, geschweige denn, eins gesehen habe: den Wollschweber. Sieht mit seinem langen Rüssel gefährlich, mit seinem Pelz und seinen Glubschaugen wiederum auch sehr putzig aus. So viel hübscher als seine Schwestern, die Schmeißfliegen.
Ernteglück
Die Ernte auf meinen 22 Quadratmetern war bisher großartig. Durch die weite Anfahrt und das Ackererlebnis schätze ich sie sogar noch ein klitzekleines bisschen mehr als die vom Nachbarschaftsgarten und die vom Balkon. Da esse ich sogar den doch sehr verlausten Spinat mit Genuss, schwärme tagelang von der Haltbarkeit der Salatköpfe (bis zu eine Woche, wenn man sie vorher ins Wasser taucht!) und bin traurig, wenn ein Wirsing fault. Angebaut werden außerdem Möhren, Pastinaken, rote und gelbe Zwiebeln, zwei Sorten Kartoffeln, Kohl, Zuckererbsen, Bohnen, Rote Bete, Mangold, Zucchini, Gurke, Kürbis, Fenchel, Sellerie, Radieschen, Lauch, Mais, Schnittlauch, Petersilie, Kapuzinerkresse, Dill. Ringsherum und in der Mitte blüht bald eine Blumenreihe, soweit sie nicht versehentlich weggerupft wurde, und in den Kreiszentren sind jeweils ganze Kräutergärten angelegt. Im Laufe des Jahres gibt es mehrmals saisonalen Nachschub für Saatgut und Jungpflanzen. Beachtet man die streng eingehaltene Fruchtfolge und die Bio-Qualität, so darf man auch eigene Samen und Pflanzen mitbringen. Derzeit reicht mir das Angebot aus, aber nächstes Jahr trete ich in die Fußstapfen meiner Nachbarin und bestelle Neuseeländischen Spinat bei Annas Jungpflanzenmanufaktur vor und bringe Pflanzen aus meiner eigenen recht ansehnlichen Tomatenanzucht vom Balkon mit.
Auch wenn es durchaus zeitaufwändig ist, jedes Wochenende rund vier Stunden auf dem Acker zu verbringen und das Gemüse im Anschluss auch noch verarbeitet werden will: Nächstes Jahr geht’s auf JEDEN Fall weiter!
Die Gartenkreise sind übrigens deutlich auf Satellitaufnahmen, wie hier bei Google Maps, zu erkennen. Schöner sieht es natürlich aus, wenn ein Profi fotografiert. Da lohnt ein Klick auf das Instagram-Profil von karachoberlin.