7:54 pm – Heute habe ich den ersten Tag ausserhalb der Stadt und auf dem Land verbracht. Nach langem Hin und Her, Julie kennt nun auch meine Unentschlossenheit, haben wir uns dafuer entschieden, eine Tour zu buchen. Auch wenn ich sonst oeffentliche Verkehrsmittel solchen gefuehrten Bustouren vorziehe, war das wohl die richtige Entscheidung, denn so sind wir noch in den Genuss gekommen, quer durch die Wicklow Mountains (treffender: Huegel) zu fahren. Der Bus war ein Kleinbus mit acht weiteren allesamt sympathischen Fahrgaesten. Julie und ich sassen direkt neben dem Fahrer, so dass wir wir sogar noch zusaetzliche Informationen und Prospekte erhielten.
Nicht ganz folgen konnte ich der ersten Anekdote bzw. “spooky story” ueber ein Haus in den Bergen, in dem sich eine Gruppe namens Hell fire trifft – oder getroffen hat. Das was ich mir nun selbst zusammen reime, erinnert jedenfalls ein bisschen an Twin peaks, Lost Highway etc.
Der erste Halt bescherte uns einen “breathtaking” Blick ueber Bay of Dublin, es gab Kaffee aus der Thermoskanne (“with complimentary coffee”) und erste Gespraeche zwischen den Touristen, also der Finnin Pivi (“mit Umlaut”, wie sie sagte, aber wo der sein soll, weiss ich nicht), die sechs Sprachen beherrscht und zur Zeit ihre Doktorarbeit schreibt, einem indischen Ehepaar aus London, einer weiteren Londonerin, die hier ein Meeting hat, zwei Hollaendern, einer weiteren Deutschen und einer Schottin, die Anglistik und warum auch immer Germanistik [2023: für jene, die meine Studienfächer nicht kennen, ich hab das auch studiert] studiert.
In den Wicklow Mountains kann man wunderschoene Eindruecke von Wasserfaellen und Seen vor steilen Bergwaenden gewinnen, ich dachte manches Mal, gleich springt eine irische Ronja Raeubertochter ueber die grossen Kieselsteine in den Fluessen. Die holprige Fahrt ueber die engen Serpentinen, die so manches mal, nachdem man ein gutes Stueck Richtung “top of the hill” geschafft hat, wieder steil nach unten fuehren koennen, erinnerte manchmal unangenehm an eine Fahrt in der Achterbahn. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Die Wicklow Mountains sind weniger ein Gebirge als eine Huegellandschaft. Alles ist noch gruen bewachsen, kein blanker Felsen also, und tatsaechlich habe ich noch nie so viele verschiedene Gruentoene gesehen wie hier. Dadurch, dass nur wenig Baumbestand in den Wicklow Mountains vorhanden ist, hat man oft einen weiten Blick auf die umgebenden Huegel, so dass man beobachten kann, wie sich die einzelnen Gruentoene veraendern, wenn zum Beispiel eine Wolke vorueberzieht und einen Teil der Landschaft in Schatten legt, oder wenn an einzelnen Stellen Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke brechen und einen kleinen Flecken Gras oder Hecke erhellen. Ein wunderschoenes Changieren von Licht und Schatten auf den gruenen Flaechen. Ab und an wird dies unterbrochen durch gelbe, rosa oder weisse Blueten. Und ja, es gibt sie tatsaechlich, die Schafe, die ploetzlich die Strassen fuer sich einnehmen.
Einige Mitglieder der Guiness-Familie besitzen ein grosses Grundstueck in einem Tal – wahrscheinlich das gesamte Tal – der See und sein kleiner Strand erinnern angeblich an ein gut gezapftes Glas Guiness.
Das hoechst gelegene Dorf (so behaupten die Bewohner) in Irland heisst Roundwood und es gibt in den Wicklow Mountains – leider habe ich diesen Teil der Fuehrung wieder nicht ganz verstanden – einen deutschen Soldatenfriedhof samt deutschem Schild.
Der Mittagslunch vor dem eigentlichen Ziel Glendalough bestand bei mir aus “homemade sandwiches” oder schlicht gesagt Stullen, da ich kein Geld ausgeben wollte fuer ein ganzes Mittagessen (“not included in price of tour”), die ich dann, nachdem die anderen ihre Mahlzeit in einem Restaurant bezahlt hatten, draussen schnell noch zu mir nehmen konnte. Dies hatte gutgemeinte Angebote, doch vom Irish Stew zu probieren, zur Folge, die ich aber dankend ablehnte…
In Glendalough (“Tal der zwei Seen”) befindet sich ein fruehchristlicher Klosterbezirk, im 6. Jh gegruendet vom Heiligen Kevin, um den sich reichlich Anekdoten ranken (leider war ich zu faul, um einen Vortrag ueber Pigors heiligem Kevin zu halten, schade, dass ich das Hoerbuch nicht mitgenommen habe…). Letztendlich sieht man zwischen Huegeln, Seen und einem Wasserfall Klosterruinen, unter anderem einen 30 Meter hohen Rundturm und einen Friedhof mit keltischen Kreuzen. Kurz vor der Abfahrt traf ein Brautpaar im naheliegenden Hotel auf, schon das zweite, das ich hier gesehen habe. Die Rueckfahrt fuehrte schliesslich an dem riesigen “manmade” Blessingtonlake vorbei, dort wurde ein ganzes Tal geflutet, das nun wohl einen Grossteil des Wassers bzw. der Energie fuer Dublin liefert.
current mood: impressed