Beengter Raum mit Sofa und Fernseher
TV-Room vor der noch folgenden Renovierung

11:01 pm – Der gestrige Abend hat noch ein entspanntes Ende gefunden. Nachdem Julie, Nicole und Steven bei ihrer Ankunft meinen Zettel (…I’m hiding under my blanket…) gefunden und mich mit herzlichen und beruhigenden Worten und Gesten aus meinem Zimmer gelockt haben, gabs noch eine mitternaechtliche Pizza und Salat mit Honig-Senf-Dressing, das dank Paulas franzoesischem Senf aus ganzen Koernern hervorragend war.

Heute habe ich dann den ersten recht faulen Tag verbracht. Einen kurzen Spaziergang habe ich zwar durch die Northside von Dublin gemacht, aber habe nur die fuer mich wichtigsten wichtigsten Punkte anvisiert (Writer’s Museum, James Joyce Center, Briefkasten) und Infomaterial mitgenommen. Ich denke, besuchen (das heisst Eintritt zahlen) werde ich diese Orte erst, wenn ich Besuch habe. Ich bin ganz angetan von den Aktionen der hiesigen literarischen Orte, sowas wuerde ich selbst gerne anbieten, Aktivitaeten rund um die Literatur. Oder thematische Stadtfuerungen. Ich hoffe, unter euch gibt es Interessenten fuer Literaly Pub Crawl, Musician Pub Crawl und die Ghosty Tour… Heute liefen recht viele Menschen (mutmasslich alles Anglistikstudenten) durch Dublin, die wie vor hundert Jahren (100 Jahre James Joyce…) gekleidet waren, sehr adrett sah das aus.

Ansonsten vorm Fernseher geflaezt, die irischen Serien sind allerdings extrem schlecht, Six Feet Under laeuft zur Zeit wie befuerchtet nicht in Irland, aber immerhin gibts Muppetshow-Wiederholungen und Dienstag schaue ich natuerlich das Fussballspiel. „We have to shout for German“ versicherte mir gerade noch eine Freundin von Nicole. Uebrigens muss in den USA fuer den Sender, der Ally McBeal, Sex in the City und Six Feet Under ausstrahlt, Geld gezahlt werden, viele Amerikaner kennen daher diese Serien gar nicht.

Heute Abend bin ich mit zu der Gospelmesse gegangen, an der Paula und Nicole immer teilnehmen, da José, einer ihrer Freunde, heute seine letzte Predigt gehalten hat, bevor er nach Spanien zurueckkehrt, und ich sehen wollte, was so einen grossen Teil ihrer Freizeit ausmacht. Ich kann nun schon eher nachvollziehen, warum die beiden so stark involviert in die Gemeinde sind. Priester José hat eine kreative Predigt samt riesigen Origamiblueten gehalten, der Chor ist super, die Gemeinde sehr jung und es gibt – abgesehen von den normalen katholischen Riten – nette Gepflogenheiten: Kinder kommen zum Vorbeten nach vorne, einzelne Gemeindemitglieder lesen etwas vor, es wird dazu ermuntert, die Nebensitzer kennenzulernen, wer moechte bekommt nach der Messe Tee und Kekse. Da Nicole zu spaet kam und ich daher ohne Hilfsperson auf der Bank sitzen musste, wusste ich nicht, wann ich sitzen, knien oder stehen muss und erntete kritische (oder waren es mitleidige?) Blicke. Und die Hinweise Josés habe ich schon gar nicht verstanden. Bei irischem Englisch mit spanischem Akzent scheitere ich dann doch sehr schnell. Danach habe ich mir noch die Raeume von der Bibelgruppe angeschaut, ein huebsches gregorianisches (?) Haeuschen. Steven ist fuer die Herausgabe einer Gazette zustaendig und da ich ein paar Hinweise zum Desktop Publishing geben konnte und mich insgesamt interessiert zeigte und auch war, wurde ich gleich samt einem Typen, dessen Name ich vergessen habe, eingeteilt, das naechste Heftchen zusammen zu stellen, ohne dass ich mich erwehren konnte. Nun hegen mich allerdings Gewissensbisse, ich wuerde das gerne machen, die Leute sind nett, ich bastel gerne genau an solchen Sachen herum, aber kann ich das machen, ohne wirklich hinter den Inhalten zu stehen? Wie gesagt, die „Gemeindearbeit“ und Gemeinschaft ist grossartig und die befuerworte ich auch, aber ich bin nun mal keine Katholikin.

Danach mein erster Pubbesuch. Allerdings wars laut und ich muede. Eigentlich muesste es mir entgegen kommen, dass man hier frueher ausgeht und nach Hause kommt, aber nun bin ich eben noch frueher als sonst muede.

Im Haus wuseln wieder die fuenf Geschwister von Paula herum. Das ist soo lustig, weil sie sich alle so aehneln und sich alle fuenf so leise und unauffaellig verhalten, dass man sie erst bemerkt, wenn sie direkt vor einem stehen.

current mood:  indifferent
current music: U 2

Mitternachtspizza 

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