9:40 pm – Der gestrige Abend endete mit einem schnellen Umzug (alles ungesehen in den Schrank und auf die Regale werfen) in Paulas Zimmer und anschliessendem Video („The Snapper“, irischer Film, ich verstand etwa 75%, Julie 94%, der Akzent ist wie gesagt nicht immer einfach zu verstehen) im nun wieder begehbaren TV-Room.
Heute morgen Oeffnen des Shops (Samstags zum Glueck erst um elf), dabei wieder Erstaunen ueber das relativ junge Alter der Freiwilligen hier in Dublin. Zudem arbeiten hier auch viel mehr Maenner [ehrenamtlich] mit als in Deutschland. Anscheinend ist hier Freiwilligenarbeit, Spenden, Engagement weitaus ueblicher als in Deutschland. Bei meinem ersten samstagvormittaeglichen Spaziergang durch Dublin bin ich an zahlreichen Spendensammlern, Infostaenden etc. vorbei gekommen. Und die Passanten sind weitaus interessierter als in Berlin. Wobei es neue Organisationen aber immer schwerer haben.
Ihr koennt Euch nicht vorstellen (oder zumindest ich konnte es zuvor nicht) wie viele Menschen hier auf den Strassen sind. Und das nicht nur Samstagvormittags, sondern jeden Tag. Unglaublich, selbst auf der relativ breiten O’Connell Street tummeln sich Massen an Touristen und Einheimischen. K., danke fuer den Button „I’m not a tourist, I’m living here“, die anderen FTV’s sind vollauf begeistert, koenntest Du mir eventuell drei davon schicken? Falls dies jemand liest, der K. kennt, frage ihn dies doch bitte, da ich nicht sicher bin, ob er hier vorbei schaut. Begeisterung hat hier uebrigens ebenso S. „selfmade guidebook“, „how nice, she must be very creative“ ausgeloest!
Heute habe ich nach einem recht langen Marsch eine zweite Bibliothek ausfindig gemacht. Leider kann ich aber nicht wie in Berlin fortfahren, die gesamten Bibliotheksbestaende auszuleihen, denn man darf nur acht Medien auf einmal ausleihen. Nun denn, so habe ich Hoerbuch (noch viel verbreiteter als in D) und Kinderliteratur (einfacheres Englisch und halbwissenschaftliches Interesse) stehen lassen muessen und konnte nur mit drei Origamibuechern von dannen ziehen. Als ich versucht habe, diese auf den Treppenstufen vor der Bibliothek in meinen Rucksack zwischen meine Einkaeufe zu pressen (wie Julie mir berichtete, kaufen Europaer im Gegensatz zu Amerikanern viel oefter, dafuer aber weniger ein, ich war wirklich ueberrascht, dass es dort ganz ueblich ist, eine halbe oder gar ganze Gallone Frischmilch zu kaufen), ermahnte mich ein ganz reizendes kleines, sogar rothaariges (auch wenn ich wahrscheinlich einfach nur mehr darauf achte, es scheint in Irland tatsaechlich mehr rot(blond)es Haar zu geben) Maedchen „You are not allowed to sit here!“, nur ihre Schwester verstand allerdings mein „I will go soon“.
Leider sind alle Tickets fuer das morgige Bloomsday-Strassenfest-Fruehstueck schon ausverkauft bzw. verteilt, denn sie sind ja „for free“. Schade, schade, vielleicht dann doch naechste Woche fuer ein anderes Joyce-Fruehstueck 12 Euro zahlen und im Ritzy Rag nach der gewuenschten zeitgenoessischen Kleidung suchen? Ich habe ja immer noch nicht meinem heren Plan ausgefuehrt oder auch nur damit begonnen, Ulysses auf Englisch zu lesen. Ich fand die ersten Seiten auf (oder in?) Deutsch ja schon schwierig, um nicht zu sagen totlangweilig. Ich sollte wohl doch mit den Dubliners beginnen.
Auf dem Rueckweg bin ich in die Hafengegend gekommen und musste erschreckt feststellen, dass drei in der Visitor’s map eingetragenen Bruecken nur MOEGLICHE Bruecken sind und musste also meinen Weg auf der Suedseite des Liffey’s fortsetzen und konnte nicht wie geplant durch die Docks laufen.
Dafuer bin ich bei Iceland vorbei gekommen, ein Supermarkt, bei dem hauptsaechlich Tiefkuehlkost in jeglicher Form (auch, E., halt Dich fest, MALTESEREIS) zu – und das ist hier wirklich selten – relativ humanen Preisen angeboten wird. Zurueck in der Bolton Street hat Nicole aber gerade sich und ihrem Freund aufgetischt, so dass ich sogar ohne etwas aufzutauen zu einem warmen Essen gekommen bin. Steven bestaetigte mir uebrigens, dass „Toiletry“ (oder so aehnlich, gemeint sind Shampoo und Duschgel etc. aber am allerteuersten ist).
Eigentlich sollte ich heute noch mit zu einer Abschiedsparty von José, einem Jesuitenfreund von Nicole, aber ich brauche endlich mal einen Abend fuer mich ganz allein. Auch wenn es langsam besser klappt mit dem Umschreiben von Vokabeln, die ich vergessen habe (zum Teil die einfachsten Worte wie „teilen“ oder „Schulfach“), ist doch noch alles recht anstrengend. Die neuen Eindruecke und Aufgaben gleich nach der stressigen letzten Woche in Berlin – und alles in English please, we are in an international zone. So bin ich nun ganz allein hier im Haus.
So langsam werde ich aber ein wenig aengstlich und denke, ich haette mal lieber doch mitgehen sollen. Ich hoffe, das Knacken und Trapppeln sind nur die Geraeusche des Hauses, die ich noch nicht kenne. Ich bin etwas unentschlossen, ob ich die Musik lieber lauter oder leiser stellen soll. Will ich wirklich hoeren, wenn eine Tuer aufgebrochen wird? Ich weiss ja auch gar keine Notrufnummern (jaja, M., sicher denkst du jetzt entruestet-besorgt, dass ich das doch wissen muss, sorry about that…) Leider habe ich gerade heute Nachmittag erfahren, dass hier mal nachts eingebrochen worden ist, waehrend die FTV’s hier waren… Die Schloesser sind ausgetauscht und erweitert worden, die Umgebung soll ruhiger geworden sein, trotzdem wirklich unheimlich. Aber ich will mich und euch nicht weiter beunruhigen und gehe lieber ins Bett und ziehe mir die Decke ueber die Ohren.
Uebrigens: Falls ich zwischendurch eine englische Vokabel fallen lasse, so ist das, ich moechte das betonen, keine Attituede! Mir fallen tatsaechlich dann eben diese Halbsaetze ein und ich muss das nutzen, wenn mir schon mal spontan etwas Englisches einfaellt. Irgendwann findet ihr dann wahrscheinlich ganz graessliches Dinglish, aber ich habe Paula versprochen, dass ich das Livejournal irgendwann mal in englischer Sprache schreiben werde.
Uhhhhhh, gerade hat das Telefon geklingelt und keiner war dran. Ohjeee, ich denke, es liegt daran, dass ich die Telefonanlage noch nicht bedienen kann… Was es wirklich zahlreich gibt sind Telefone (8) und Toiletten (5). So, ich guck jetzt mal nach einem Telefonbuch…
current mood: anxious
current music: Best of REM